Mehr Schein als sein…

Oberlandesgericht fällt ein wichtiges Urteil

1. Scheideanstalt – eine Begriffsbestimmung

Wer Edelmetalldienstleistungen benötigt, sucht im Internet oft nach dem Wort Scheideanstalt. Offensichtlich ist der Begriff als Bezeichnung für eine spezielle Expertise bekannt.

Es ist folglich ein wichtiges Wort im Wettbewerb der Unternehmen um besondere Zielgruppen. Am 13.12.2018 wurde ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf gefällt, das sich diesem Begriff widmete. Es wurde dieser Tage veröffentlicht. Die beteiligten Unternehmen waren:

Die „Rheinische Scheideanstalt“, jetzt Rheinische Scheidestätte genannt, und ein bekannter Goldankäufer und Diamanthändler, Herr Maisenbacher. Beide sind im Großraum Düsseldorf und Köln tätig. Herr Maisenbacher ist seit Jahrzehnten ein anerkannter Diamanthändler mit weltweiten Kontakten. Sein Betrieb kauft auf seriöse Weise Goldschmuck auf und war deshalb in direkter Konkurrenz zu einem Goldankäufer, der sich zwar Rheinische Scheideanstalt nannte, diese Arbeit aber tatsächlich nicht durchführte. Das Gerichtsurteil ist noch vorläufig, aber bereits vollstreckt. Das Urteil erfolgte in 2. Instanz, wodurch eine weitere Berufungsmöglichkeit ausgeschlossen ist. Es war gut begründet. Der vor dem BGH eingelegte Widerspruch wird unserer Meinung nach nicht erfolgreich sein können.

2. Begrifflichkeiten

Wer sich in diesem Zusammenhang auskennt, weiß, daß das Wort „Scheideanstalt“ keine gesetzlich schutzwürdige Bezeichnung eines Unternehmens ist. Man kann sich diesen Begriff z.B. nicht wie ein Markenzeichen oder ähnliches schützen. Vielmehr ist es eine eindeutig zu definierende Leistungsbeschreibung eines Unternehmens, die aussagt, daß das sich so bezeichnende Unternehmen auch in der Lage ist, die spezifischen Leistungen einer Scheideanstalt auf Grund ihrer Expertisen und industriellen Ausstattung auszuführen. So wie ein Arzt eben ein examinierter Heilkundler sein muss, um sich so bezeichnen zu dürfen. Die Leistungen einer Scheideanstalt sind klar beschreibbar.

Er spielt allerdings auch im Rahmen des unlauteren Wettbewerbs eine Rolle, da sich ein ordentlicher Kaufmann nicht mit Titeln oder Leistungsvermögen schmücken darf, ohne die Berechtigung zur Titelführung oder die Fähigkeit zu den beworbenen Dienstleistungen zu besitzen.

Nach Wikipedia bezeichnet der Begriff Affinerie (auch Scheideanstalt) eine Anlage, in der Metalle durch Herauslösen von Verunreinigungen in sehr reiner Form abgeschieden werden. Jedoch steht bei Wikipedia leider auch eine Menge Unsinn hinsichtlich der praktizierten Scheidprozesse, insbesondere die Kapitel Edelmetallscheidung und auch die Erklärung zur Affinerie enthält Fehler. Aber wir wollen nicht abschweifen.

3. Rechtlicher Rahmen

Das Trennen von Edelmetalllegierungen ist in Deutschland nur in genehmigungspflichtigen Anlagen erlaubt. Das regelt das Bundesimmissionsschutzgesetz. Für Hamburg kann man sich die genehmigten Industrie-Anlagen, also auch die Scheideanstalten, in einem öffentlichen Verzeichnis anschauen und auch eine Genehmigung beantragen. In Hamburg ist nur die Aurubis zu verzeichnen. Für Schleswig-Holstein gilt diese Gesetzeslage ebenso, wie im gesamten Bundesgebiet. In Schleswig-Holstein ist nur die Norddeutsche Edelmetall Scheideanstalt in Norderstedt, an der Hamburger Stadtgrenze, eine Scheideanstalt. In unserer regelungsreichen Bundesrepublik müssen bestimmte Industrieanlagen nicht nur behördlich genehmigt werden. Ab bestimmten Gefährdungsgraden und Betriebsgrößen müssen die Genehmigungsverfahren auch unter Einbezug der Öffentlichkeit stattfinden. Es können also keine Scheideanstalten im stillen Kämmerlein betrieben werden, sondern sie müssen grundsätzlich angemeldet und genehmigt sein. Je nach Verfahren und Größe müssen eine Reihe von Auflagen erfüllt werden. Dies wird in Abständen von 2-5 Jahren je nach Gefahrenlage wiederum behördlich kontrolliert. Solche Zusammenhänge sind meist nur Insidern bekannt.

4. „Goldankäufer“ sind keine Scheideanstalt

Goldankäufer können daher auf die Idee kommen, sich Scheideanstalt zu nennen. Der Klang ist durch die bekannten Scheideanstalten viel seriöser und vermittelt einen ganz anderen Eindruck beim Kunden. Eine Scheideanstalt erweckt beim Kunden zurecht den Eindruck, dass ein hohes Maß an Fachwissen zum Verarbeiten der Edelmetalle zwingend notwendig ist. Chemiker und Facharbeiter müssen vorhanden sein, um die Gefahren von Umwelt und Mensch abzuwenden und die Qualität der entstehenden Edelmetalle zu garantieren. So kam es, dass der Begriff Scheideanstalt gern auch von Unternehmen verwendet wird, die selbst keine Trennung der Edelmetalle im eigenen Haus vornehmen können. Dafür gibt es eine Menge Ausreden: Das Schmelzen von Metallen oder Legierungen und die Säuberung von Verunreinigungen sei auch eine Art „Scheidung“. Diese dialektische Falschdefinition des eigentlichen Scheidprozesses dient jedoch nur als Rechtfertigung zur missbräuchlichen Verwendung der im naturwissenschaftlichen Sinne klar definierten Techniken/Verfahren zur Scheidung/Trennung von Metallen und Legierungen. Das weitere Verarbeiten und die tatsächliche Erzeugung des bei Scheidungen angestrebten Endproduktes Feinmetall, wie Feingold, Feinsilber, Feinplatin, Feinpalladium macht dann eben eine „echte“ Scheideanstalt, die Dienstleistungen für die Pseudo-Scheideanstalten übernimmt.

Schmelzprozesse sind lediglich metallurgische Zwischenprozesse 

Hierzu muss man wissen, daß Schmelzprozesse nicht zur Scheidung/Trennung von Edelmetallen führen, sondern zum genauen Gegenteil, z.B. zum Zusammenfügen unterschiedlicher Feinmetalle oder Legierungen. Das Schmelzen dient beispielsweise der Schaffung bestimmter Formen, Oberflächen, dem Abtreiben von Material, welches den späteren Scheidprozess und die Berechnungen der notwendigen Chemikalien stört. Schmelzen dienen auch der Homogenisierung heterogenen Materials zur Vorbereitung von besonderen Analysen oder der Fertigung neuer Legierungen..

Das oben erwähnte Gerichtsurteil wurde von einem direkten Konkurrenten des Rheinischen Goldankäufers erwirkt. Denn die Scheideanstalten, die tatsächlich die Trennung und Herstellung von Edelmetallen durchführen, haben allesamt Kunden, die sie nicht verärgern wollen. Da beisst man eher die Zähne zusammen und akzeptiert einen Kunden, der unter falscher Flagge segelt. Immerhin erhält man regelmäßige Aufträge von nicht unerheblichem Wert.

Für den allgemein verständigen Verbraucher stellt sich nicht nur die Fachkompetenz als besonderes Merkmal heraus, sondern auch die Vermeidung von Zwischenhändlern. Auf diese Weise erhofft sich ein Kunde einen Preisvorteil, den er beim Verkauf von Scheidgütern wie Altgold, Altschmuck oder Zahngold bei einem Goldankäufer vielleicht nicht erhält. Deshalb ist die Wettbewerbsituation im Goldankauf inzwischen geradezu eskaliert: Die Goldankäufer mit dem Namenszusatz Scheideanstalt stellen sich größer und wichtiger dar, als Unternehmen, die offen kommunizieren, dass sie angekauftes Altgold an Scheideanstalten weitergeben. Tatsächlich muss deshalb immer das konkrete Ankaufsgeschäft für gelieferte Edelmetalle betrachtet werden, um Kostenfallen und verdeckte Preisreduzierungen zu erfassen. Ein schwieriges Ankaufspreis-Ermittlungsverfahren, dem Kunden nur entgehen können, wenn sie sich mit ihrem Material auch tatsächlich an eine richtige Scheideanstalt wenden können. Eine erhoffte Preistransparenz oder ein Preisvorteil lässt sich sonst für den Verbraucher nicht erlangen.

Jedoch: Die echten Scheideanstalten sind Industriebetriebe und können die wirtschaftliche Abwicklung von kleinen Einzel-Aufträgen im Privatkunden-Bereich nur selten abdecken. Für die grossen Unternehmen wie Heraeus oder Umicore bilden also die Goldankäufer auch ein wichtiges Bindeglied im Recycling-Kreislauf.

5. Was folgt aus dem Gerichtsurteil?

Das Landesgericht, wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf, haben festgestellt, dass eine Scheideanstalt tatsächlich Edelmetall in relevanter Menge scheiden muss und zwar bis zum Feinmetall. Damit ist eine hohe Reinheit von wenigstens 999 Tausendstel oder 999,9 Tausendstel gemeint. Die einzelnen Verfahren sind dafür nicht relevant. Eigentlich selbstverständlich, aber es gibt nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit Unternehmen, bei denen zu vermuten ist, dass sie sich zwar Scheideanstalt nennen, aber diese Dienstleistung für ihre Kunden nicht selbst ausführen können. Selbst alteingesessene Unternehmen Hamburgs, die mit fast jahrhundertelanger Tätigkeit werben, müssen sich vorhalten lassen, daß sie selbst Edelmetalle in industriellem Maßstab zu Feinmetallen scheiden müssten, wenn sie sich als Scheideanstalt bezeichnen wollen. Der Betrieb von Schmuckgalvaniken zur Vergoldung oder Rhodinierung von Schmuckteilen oder eine Verwendung eines Minigerätes zur Aufreinigung von Kleinstmengen im Labormaßstab reicht eben nicht, um sich als Scheideanstalt zu bezeichnen. Dies leistet auch der normale Goldschmiedebetrieb.

Es bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil für eine Marktbereinigung des Begriffes Scheideanstalt sorgt. Es wurde jedenfalls festgehalten, dass es eine Verletzung des Wettbewerbs ist, sich fälschlicherweise als Scheideanstalt zu bezeichnen. Das ist ein Fortschritt für den Verbraucher. Es ist im Sinne des Verbrauchers geurteilt worden, da die versprochene Preistransparenz und Leistungsfähigkeit einer Scheideanstalt nicht nur vorgegaukelt werden darf, sondern auch wirklich vorhanden sein muss.